Liebe Gemeinde.
In einem Kinderbuch gibt es eine nette Geschichte über das Vierviertelland (von Gina Ruck-Pauquét):
Das Land ist rund wie ein Pfannkuchen und ist in 4 Viertel eingeteilt. In einem Viertel ist alles grün: Häuser, Straßen und Autos usw. im nächsten Viertel ist alles rot: die Teller, T-Shirts, Badewannen usw. Im andern Viertel alles gelb: Blumen, Besen, Krankenhäuser und im letzten Viertel ist alles blau: Zahnbürsten, Fahrräder, Ampeln usw.
Die Kinder, die geboren werden sind zwar alle bunt, aber wenn die Eltern sie lange anschauen und streicheln werden sie wie die Eltern rot oder grün oder…Und damit niemand seine Farbe vergisst, singen die Roten das Erdbeermareladenlied und essen viel Tomaten. Außerdem hängen überall Spruchbänder auf denen steht: Grün, gelb und blau ist gelogen. Dagegen gibt es in Gelb einen Lautsprecher auf dem ruft es ständig: Rot und Blau ist doof. Gelb bleibt Gelb. Und sie schauen so oft es geht in die Sonne. In Grün träumen sie alles grün und begrüßen sich mit den Worten „Seid grün“. Und in Blau ist es ähnlich.
Da kommt in grün ein Junge zur Welt, der schon ziemlich lange braucht bis er ganz grün ist. Er heißt Erbs. Er beobachtet einmal, wie in grün eine rote Rose blüht, die natürlich sofort ausgerissen wird. Und da lässt Erbs seinen Löffel in den Spinat fallen und seitdem machen die Kinder Probleme.
Nun wird es manche geben, die sagen: ist nur ein Märchen. Aber ich finde, dass es durchaus unserer Wirklichkeit entspricht. Auch wir pflegen so eine Farbenlehre. Denn vor den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben wir ja auch ständig von diesen Farben in unserem Land gehört und geredet, den Grünen, Roten, Blauen, Schwarzen usw. Und die haben auch alle gesagt: nur wir sind die Richtigen und blau ist doof oder Grün ist gelogen usw. Auch wir teilen unsere Welt ein und pflegen unsere Überzeugungen, was richtig oder falsch ist. Auch wir halten fest an den Unterschieden, die es gibt.
Und das war und ist oft in der Kirche nicht anders. Und das war und ist auch in der Kirche ein Problem. Und schon der Apostel Paulus hatte mit diesem Problem zu kämpfen. Und wie er darauf reagiert, zeigt unser Predigttext:
LESUNG Galater 3, 26-29:
Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. 27 Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. 28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. 29 Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben.
Liebe Gemeinde.
Der Apostel Paulus sah seine Aufgabe darin, die frohe Botschaft von Jesus Christus in der ganzen Welt, im römischen Weltreich, zu verkünden und die Heiden zu den Gott Israels zu bekehren. Da ist ihm auch viel gelungen und er hat auf seinen Reisen einige Gemeinden gegründet. Auf einer der ersten Reisen führte sein Weg auch durch Galatien in Kleinasien (etwa Anatolien heute). Auch da hat Paulus Erfolg. Doch es kommen in die Gemeinde auch Vertreter der Urgemeinde in Jerusalem und die sagen: „Paulus: Du musst die neu gewonnen Christen auch dazu bringen, sich beschneiden zu lassen, denn Jesus war auch Jude“. Und wer das nicht tut bleibt ein Christ zweiter Klasse. Doch damit ist Paulus überhaupt nicht einverstanden und reist verärgert nach Jerusalem, um das zu klären mit den Aposteln auf dem sogenannten Apostel Konzil. Und die Meinung, die er da vertritt, schreibt er hier im Brief an die Gemeinden in Galatien nieder, die ganz verunsichert sind, wer nun recht hat.
Paulus meint: durch den Glauben werden wir Kinder Gottes und sogar Nachkommen Abrahams. Und so wie bei Abraham auch nur der Glaube und sein Vertrauen auf Gott zählte, ist es auch mit den Christen. Man braucht eben keine weiteren Vorleistungen, keine Beschneidung, keine Beachtung der jüdischen Speisegebote etc., sondern nur Vertrauen in den Gott Israels, dass er als einziger wahrer Gott uns begleitet und führt. Dieser Glaube verbindet uns miteinander und macht uns zu Kindern Gottes. Diesen Glauben machen wir sichtbar in der Taufe, wo wir diesen Glauben wie ein neues weißes Taufkleid anziehen. Und damit werden die Unterschiede belanglos.
Ich versuche es einmal mit einem Vergleich anschaulicher zu machen: Vor kurzem sind die olympischen Spiele und Paraolympics zu Ende gegangen. Bei der Eröffnung und Schlussfeier zogen die Mannschaften mit ihren Fahnen und Farben ein, wie z.B. unser Team D mit schwarz-rot-gold. Wenn wir sportlicher wären, könnten wir zu diesem Team gehören unter dieser Flagge, im Unterschied zum amerikan. Team mit den Stars und Strips oder zum chinesischen Team. Aber durch den Glauben bekommen wir ein neues Trikot übergezogen wie ein Taufkleid und auf dem steht Jesus-Team. Der Glaube schweißt uns neu zusammen und zu diesem Jesus-Team können nun auch amerikanische oder chinesische Christen gehören. Das sieht man ihnen dann nicht mehr an, welchen Pass sie haben.
Mit diesem Bild oder dieser Vorstellung will Paulus einer Spaltung in der Gemeinde begegnen und sie verhindern. Egal ob Jude oder Heide – das spielt keine Rolle mehr, weil sie nun in einem Team sind und entscheidend ist, ob man auf den Spuren Jesus den Weg zum Vater, zum Gott Israels geht.
Aber nicht nur dieser Unterschied ist hinfällig, sondern auch andere grundlegende Unterschiede. Auch der Unterschied zwischen Mann und Frau spielt in der Gemeinde keine große Rolle mehr. Auch das ein ziemlich revolutionärer Gedanke. Denn Frauen galten damals in der Gesellschaft keineswegs als gleichwertig. Nur die Männer waren Krone der Schöpfung, waren Haushaltsvorstand, durften Geschäfte machen und Verträge abschließen und eine politische Karriere einschlagen. Auch im religiösen Kult waren Frauen zweitrangig und in einem jüdischen Gottesdienst sind bis heute Männer und Frauen getrennt und Frauen hinter ein Gitter verbannt. Nun ist Paulus sicher kein Emanzipationsvorreiter, aber Tatsache ist, dass Frauen in den christlichen Gemeinden eine bedeutende Rolle spielen: die Purpurhändlerin Lydia in Philippi, Chloe in Korinth, und Aquila und seine Frau Priscilla werden als Mitarbeiter bezeichnet, was darauf hindeutet, dass sie auch die christliche Botschaft verkündigt haben und gepredigt haben.
Genauso umstürzend wie die Gleichheit von Mann und Frau in der Gemeinde war die Vorstellung, dass es keinen Unterscheid zwischen Freien und Slaven gibt. Das war natürlich ein gewaltiger Unterschied, ob jemand frei geboren oder wenigstens freigelassener Sklave war, sein Leben selber bestimmen konnte, eine Familie gründen konnte, Besitz haben durfte, oder ob man als Sklave zu jemanden gehörte wie ein Mähroboter im Garten. Nun kann man nicht behaupten, dass Paulus die Sklaverei abschaffen wollte, aber in der Gemeinde, in der eben auch viele Sklaven waren, sollte der Unterschied nicht sichtbar sein. Deswegen ärgert es Paulus, wenn die Reichen beim Abendmahl nicht warten können bis die Arbeiter und Sklaven kommen und vor leeren Tellern sitzen müssen. Und ganz erstaunlich auch, was Paulus aus dem Gefängnis an den Christen Philemon schreibt, dessen Sklave getürmt ist und zu Paulus geflohen ist. Ein flüchtiger Sklave konnte von seinem Herrn sogar getötet werden, doch Paulus bittet Philemon den Sklaven Onesimus wieder in sein Haus aufzunehmen. Nichts weniger als christliche Vergebungsbereitschaft verlangt Paulus und das dürfte Philemon einige Überwindung gekostet haben.
Leider sind diese provokanten Sätze des Paulus in den christlichen Gemeinden nicht immer so umgesetzt worden. Dass Männer und Frauen gleich sind, ist im Priesterberuf bis heute nicht verwirklicht und die ersten Pfarrerinnen auf einer Gemeindepfarrstelle gibt es auch noch nicht so lange. Zwar konnten in den 20ziger Jahren des letzten Jahrhunderts Frauen Theologie studieren, aber oft nur als Katechetin arbeiten. Die Ordination zum Geistlichen Amt in Bayern gibt es erst seit 1976.
Und manchen ist vielleicht noch in Erinnerung, dass es in den 70ziger Jahren in Südafrika noch eine Apartheidpolitik gab, in der Schwarze und Weiße getrennt waren und es eben auch Kirchen nur für Weiße oder nur von Schwarzen gab.
Und bis heute machen wir gern Unterschiede und grenzen uns ab. Das ist in unserer Gesellschaft so, wo man manchmal immer noch von Wessis und Ossis spricht, von Einheimischen und Zugezogenen, von Linken und Rechten usw. Und selbst in unseren Kirchen. Da gibt es immer noch die Trennung zwischen Evangelischen und Katholischen. Natürlich sagen viele Christen: Wir haben ja denselben Gott. Und natürlich kann jeder und jede frei wählen, welchen Gottesdienst man besucht. Aber im Religionsunterricht geht das nicht mit dem Wählen. Und es ist auch schade, dass doch recht wenig zusammen veranstaltet wird, weil jeder selber genug zu tun hat und die Kapazitäten für zusätzliche Ökumene nicht ausreichen. Sehr schade.
Und machen wir nicht auch Unterschiede zwischen unseren Gemeinden? Wir gehören zu St. Markus, wir halten uns nach Stephanus oder wir bleiben in St. Lorenz. Und hört man da nicht auch immer wieder Stimmen, die sagen: die Film Abende von Markus, der Gospelchor von Stephanus, die Spirit-Motorradtouren von Lorenz. Aber sind sie nicht für alle Oberasbacher?
Im Vierviertelland – von dem ich anfangs erzählte – sind es die Kinder, die sich alle in der Mitte treffen und plötzlich anfangen die Trennungslinien und Grenzen zu verwischen und bei Miteinander-Spielen bunte Punkte bekommen. Und sogar auf die Erwachsenen greift es über. So ist es vielleicht auch mit unseren Gemeinden, dass die Jugend eben keinen Unterschied mehr macht und das allmählich um sich greift.